Kapitel 15: Nieren und Nebennieren

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Glucoserückresorption und Diabetestherapie

KOMMENTAR


Zwei Natrium-getriebene Transporter resorbieren die Glucose aus dem proximalen Tubulus: SGLT2 und SGLT1 (SGLT = "Sodium-dependent glucose transporter").

Zur Erinnerung: im Dünnarm nimmt SGLT1 die Glucose auf.
SGLT2 unterscheidet sich vom SGLT1 durch eine niedrigere Affinität (Km = 1.6mM), höhere Kapazität und die Tatsache, dass pro Glucosemolekül 1 Natrium mittransportiert wird. Er liegt vor dem SGLT1 und ist für ca. 90% der Glucoserückresorption verantwortlich. Der nachgeschaltete SGLT1 mit einem Km von 0.35mM nimmt die restlichen 10% auf (s. Abbildung).

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Fig. 1: Die beiden Glucose-Transporter im proximalen Tubulus.

Eine Mutation des SGLT2-Gens führt zu einer verminderten Glucose-Rückresorption und einem Glucose-Verlust, der in einzelnen Fällen mehr als 200g pro Tag (!) erreichen kann. Das Erstaunliche: Menschen, die von dieser familiären renalen Glucosurie betroffen sind, zeigen in der Regel keinerlei Symptome – weder Hypoglykämie noch Hypovolämie – und die Lebenserwartung ist normal. Das sollten sich all die Ernährungsberater/innen merken, die oft "Energie" mit Glucose gleichsetzen und gerne betonen, wie kostbar doch jedes einzelne Glucosemolekül sei und wie eifersüchtig der Körper, evolutionsbedingt, darauf achte, ja keines zu verschwenden.

Normalerweise wird praktisch die gesamte in den Primärharn filtrierte Glucose rückresorbiert. Wenn aber, z.B. im Falle eines unbehandelten Diabetes, die Konzentration im Blut (und damit im Primärharn) einen bestimmten Wert überschreitet, vermögen die beiden SGLTs nicht mehr alles aufzunehmen. Dieser Schwellenwert liegt bei 160 - 180 mg/dl, also knapp unter 10mM. Die diabetische Glucosurie ist zwar ein Symptom, nicht aber das eigentliche Problem der Krankheit. Das Problem ist die hohe Konzentration im Blut, und die wird durch eine Überexpression von SGLT2 bei Diabetes noch verstärkt.

Die Tatsache, dass ein grosser Glucoseverlust im Falle einer familiären renalen Glucosurie kaum Beschwerden verursacht, hat Forscher auf die Idee gebracht, die Blutglucosekonzentration bei Diabetikern durch Hemmung des SGLT2 zu reduzieren. Am Anfang stand ein Molekül, das 1835 aus der Rinde des Apfelbaums isoliert wurde: Phlorizin. Phlorizin hemmt zwar SGLT2, aber auch SGLT1 und damit die intestinale Glucosearbsoption (und hat noch weitere unerwünschte Nebenwirkungen). In der Folge gelang es aber, SGLT2-spezifische, gut verträgliche Phlorizin-Derivate zu entwickeln. Diese werden heute erfolgreich, in Kombination mit herkömmlichen Antidiabetica, eingesetzt. Sie heissen Dapagliflozin, Canagliflozin oder Empagliflozin (Phlorizin!) und haben den Vorteil, dass sie insulinunabhängig wirken.


LITERATUR

BUCH


15.2: Rückresorption und Sekretion


Seite 211: "Zwei Formen des "Sodium-dependent Glucose Transporters" SGLT2 und SGLT1, kommen vor; …"

Author: Jörg Hagmann

Email: hagmann at repetitorium-biochemie.ch

Created: 2016-02-09 Tue 10:10

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